Der Rechtsstaat für Europa – Europäisches Justizsystem weiterentwickeln!

Beschluss des Bezirksvorstandes vom 26.03.2020

Reformvorschläge für die Europäische Union beschäftigen sich meistens
entweder mit der Umgestaltung der Legislativen, wie zB dem Europäischen
Parlament ein Initiativrecht zu geben, oder aber mit der Exekutive, wie etwa eine
Verkleinerung und Umgestaltung der Europäischen Kommission. Zum Teil
kommen da Reformideen für die Gerichtsbarkeit der Europäischen Union zu
kurz.

Neuerungen für das EU Gerichtssystems

Bei immer engerer Regelungsdichte von Unionsrecht in vielen Bereichen durch
eine voranschreitende Integration muss langfristig darüber nachgedacht werden,
ob die Aufgabenteilung zwischen Gerichtshof (EuGH) und Gericht (EuG) nach
Art der Klage sinnvoll ist. Viel mehr muss man daran denken, dass man die
Zuständigkeiten, erstinstanzlich, besser nach der zu prüfenden Rechtsmaterie
auf teilt.

Wir wollen die Zuständigkeiten des Gerichtssystems der Europäischen Union
neu regeln: Während der Europäische Gerichtshof (EuGH) – ähnlich eines
Verfassungsgerichtshofes – erstinstanzlich nur für Angelegenheiten des
Primärrechts zuständig sein soll, soll sich das Gericht der Europäischen Union
(EuG) mit allen anderen Angelegenheiten des Sekundärrechts befassen. Dies
würde insbesondere bei Vorabentscheidungsverfahren zu einer Änderung der
Zuständigkeit führen.

Auch dann erscheint der Instanzenzug, also dass das EuG Entscheidungen der
Fachgerichte, und der EuGH Entscheidungen des EuG überprüft, für sinnvoll.

Darüber hinaus sollten mit Fachgerichten für besonders harmonisierte
Rechtsgebiete auch spezialisierte Spruchkörper gebildet werden um die Qualität
der Entscheidungen weiter zu verbessern.

Gerade im Bereich des Geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht fordern wir
ein Fachgericht zur weiteren Spezialisierung. Auch in den Mitgliedsstaaten hat
es sich bewährt, die Zuständigkeiten für Streitigkeiten über Geistiges Eigentum
zu konzentrieren und so zu Spezialisierung der Spruchkörper zu führen. Mit dem
Europäischen Amt für Geistiges Eigentum (European Intellectual Property Office
/ EUIPO) besteht ein Europäisches Amt, dass für das gesamte Unionsgebiet
über den einheitlichen Schutz von Marken, Designs und geographischen
Herkunftsangaben entscheidet. Ein spezialisiertes Gericht, dass diese
Entscheidung angemessen und mit gleicher Fachkompetenz überprüfen kann ist
daher besonders wichtig. Sowohl das EuG wie auch Stimmen aus der Praxis und
der Wissenschaft fordern schon länger, dass für den Bereich des Geistigen
Eigentums von Art. 257 AEUV Gebrauch gemacht und ein Fachgericht
eingerichtet werden sollte.

Die Schaffung eines Fachgerichts in Marken- und Wettbewerbsfragen erscheint
zurzeit als einfachstes Mittel das EU Gerichtssystem in eine Phase der besseren
Spezialisierung zu führen. Daher fordern wir die Kommission auf eine Initiative
zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren dazu zu starten.

Des Weiteren wird zum Teil eine extra europäische Finanzgerichtsbarkeit
geforderter mit einem Fachgericht für Steuerfragen. Aufgrund der engen
Regelungsdichte wäre auch an ein Fachgericht für Verbraucherrechtsfragen zu
denken.

Harmonisierung des materiellen Strafrechts

Gemäß Art. 83 Abs.1 UAbs. 2 AEUV kann die EU schon heute in einigen
Bereichen Richtlinien für Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten
beschließen. All diesen Straftaten ist gemeinsam, die besondere schwere und
grenzüberschreitende Dimension.

Die Harmonisierung ist wichtig, um EU weit zu einheitlichen Begriffen und
Definitionen in diesen Bereichen des Strafrechts zu kommen. Der Rechtsstaat
muss genauso europäisch organisiert sein, wie das Verbrechen. Das bedeutet
auch, dass die strafrechtlich relevanten Begriffe europaweit vergleichbar werden.

Wir Freien Demokraten möchten darüber hinaus auch in weiteren Bereichen die
Harmonisierung des Strafrechts voranbringen. Dazu zählen für uns folgende
Bereiche: Umweltstrafrecht, illegaler Handel mit Kulturgütern, Fälschung von
Medizinprodukten/Arzneimitteln, illegaler Organhandel, Wahlmanipulation und
Identitätsdiebstahl. Auch einige Mitgliedstaaten sehen in diesen Bereichen
Handlungsbedarf und -möglichkeiten der EU.

Neben diesen Harmonisierungsmöglichkeiten, die schon heute machbar sind,
fordern wir die Verträge so zu ändern, dass die EU auch Verordnungen im
Bereich des materiellen Strafrechts schaffen kann, sodass tatsächlich nicht nur
ein Mindestmaß festgelegt wird, sondern bei schwerer Kriminalität mit
grenzübergreifenden Sachverhalten insgesamt ein einheitliches Strafrecht
anwendbar ist.

Europäische Staatsanwaltschaft

Zur Zeit nehmen nur 22 Mitgliedstaaten bei der verstärkten Zusammenarbeit zur
Europäischen Staatsanwaltschaft (EuStA) teil. Wir werden uns dafür einsetzen,
dass zeitnah alle Mitgliedstaaten daran teilnehmen, um den Missbrauch von
EU-Geldern wirksam zu bekämpfen. Bis dahin soll es der EU möglich sein, die
Auszahlung von Geldern an nicht-teilnehmende Länder strenger zu kontrollieren
und etwa nur an solche Organisationen direkt auszuzahlen, die sich der Kontrolle
der EuStA unterwerfen. So verhindern wir, dass EU-Gelder nur in den Taschen
von korrupten Politikern landen.

Bei einer weiteren Harmonisierung des Europäischen materiellen Strafrechts ist
es sinnvoll, auch die von der EuStA verfolgbaren Straftaten weiter auszudehnen.
Grenzüberschreitende Kriminalität sollte auch durch Europäische Justizbehörden,
wie die EuStA, verfolgt werden können.

Zur europaweiten Verbrechensbekämpfung auch durch nationale Behörden ist
der Europäische Haftbefehl zu einem wichtigen Instrument geworden. Daher ist
es ein untragbarer Zustand, dass die Europäischen Haftbefehle, die die
deutschen Staatsanwaltschaften erlassen hatten, aufgehoben sind durch das
Urteil des EuGH am 27. Mai (Urt. v. 27.05.2019, Az. C-508/18). Hier ist eine
schnelle Lösung geboten, wie etwa, dass auch Europäische Haftbefehle in
Deutschland nicht von der Staatsanwaltschaft sondern von Haftrichtern erlassen
werden. Des Weiteren fordern wir aber nach der Kritik des EuGHs die
Staatsanwaltschaften politisch unabhängiger zu machen, in dem man das
Weisungsrecht im Einzelfall streicht.

Europäisches Strafgericht

Schon heute erscheint ein Europäisches Strafgericht in Spiegelung zur EuStA
sinnvoll. Gerade beim Subventionsbetrug durch Mitgliedstaaten kann es auch in
der Justiz der betroffenen Mitgliedstaaten zu Interessenkonflikten kommen und
eine unabhängige Entscheidung gefährden. Auch gerade wenn durch
Fachgerichte die Spezialisierung der EU Gerichtsbarkeit vorangetrieben wird,
kann ein Fachgericht für Strafrecht sinnvoll umgesetzt werden.

Dies gilt dann umso mehr, wenn die Harmonisierung des materiellen Strafrechts
und die Befugnisse der EuStA weiter ausgedehnt werden.

Daher fordern wir die Kommission auf, Vorbereitungen zu treffen auf Änderung
der Verträge zur Schaffung eines Europäischen Strafgerichts.